Khebez Dawle - von Hamdi Kassar & Vanessa Loewel, rbb / Stilbruch

10.12.2015 | Stilbruch

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Die Mitglieder der syrischen Band Khebez Dawle sind mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer geflohen. Um die Schlepper zu bezahlen, mussten sie all ihre Instrumente verkaufen. Seit Kurzem sind sie in Berlin und wollen nach ihrem ersten Album auf Tournee gehen. Das Problem: Sie dürfen nicht reisen und müssen erst mal auf ihre Papiere warten.

Sie singen davon, laut und ohne Angst auf der Straße sprechen zu können, gehört zu werden, in Freiheit zu leben. Es sind die Sehnsüchte vieler junger Syrer, die die Band Khebez Dawle beschreibt.  Hier bei einem Konzert im Libanon.

Die Band ist zur Stimme ihrer Generation geworden, einer Jugend, die erst mit der Revolution Hoffnung schöpft, bevor ihnen der Krieg dann die Zukunft nimmt. Auch für unseren syrischen Kollegen, der mit uns gemeinsam diese Reportage macht, Hamdi Kassar, spiegelt die Musik seine Gefühle wider.

Vanessa, Journalistin
"Hamdi, Du kennst die Band ja schon aus Syrien. Hast du sie schon einmal in Damaskus getroffen?"


Hamdi Kassar, Journalist
"Nein, nein, ich habe sie nie getroffen. Man musste ja schon vorsichtig sein, wenn man ihre Lieder hört. Sie kritisieren ja das Regime von Assad. Ich habe sie also nie in Damaskus treffen können, deshalb freue ich mich, dass ich sie jetzt hier, in Berlin kennen lernen kann."

Hamdi Kassar hat als Treffpunkt den Kreuzberg ausgesucht, der Blick über die Stadt erinnert ihn an den Kassiun-Berg in Damaskus. Vor einem Monat ist die Band in Berlin angekommen. Um ihre Flucht zu finanzieren, die Schlepper zu bezahlen, mussten sie all ihre Instrumente verkaufen. Nur einen Stapel CDskonnten sie mitnehmen, mit ihrem ersten Album, das sie gerade aufgenommen hatten.

Wir leihen ihnen eine zweite Gitarre für ein improvisiertes Konzert.

In ihrer Musik reflektieren sie die Revolution in Syrien, den Bürgerkrieg, die Flucht. Es geht um die Suche nach Freiheit, sagt Anas.

Anas Maghrebi, Musiker
"Das haben wir bitter gelernt in Syrien: Wie wichtig die Freiheit ist, die Freiheit sich auszudrücken, über seine Hoffnungen, Gefühle, Träume, über sein Leben sprechen zu können. Das kann wichtiger sein als Essen, Brot und diese ganzen grundsätzlichen Dinge."

Für diese Freiheit mussten sie ihr Leben riskieren. Die drei Musiker sind den gleichen Weg gekommen wie unser Co-Autor Hamdi Kassar, der seit vier Monaten in Berlin ist: Von der Türkei aus, im Schlauchboot über das Mittelmeer.

Anas Maghrebi, Musiker
"Einige von uns können nicht schwimmen. Und das Gefährlichste, das du tun kannst, wenn du nicht schwimmen kannst, ist in einem kippeligen Schlauchboot über das Meer zu fahren. Aber es war der einzige Weg für uns, um weiterzukommen, um den nächsten Schritt in unserer Karriere zu gehen, um unseren Traum wahr werden zu lassen."

Nach einer Überfahrt, in der immer wieder der Motor ausfällt, landen sie an einem Urlaubsstrand auf Lesbos. Klitschnass, aber überglücklich verteilen sie unter den verdatterten Touristen ihre CDs mit dem neuen Album - als Willkommensgeschenk.

Muhammad Bazz, Musiker
"Wir hatten zwar kaum Geld, aber das nächste, was wir gemacht haben, war eine Gitarre zu kaufen."

Es ist das Musikmachen, das ihnen Halt gibt, auf ihrem Weg in die Ungewissheit, durch die Fremde. Ihre Flucht nennen sie ironisch ihre erste Europatournee.

Die Musik, der man ihre Wurzeln ebenso anhört wie ihre Begeisterung für Pink Floyd, berührt die Menschen, sie geben Interviews auf ihrem Weg nach Berlin, in Zagreb spielen sie zwei Konzerte auf geliehenen Instrumenten.

Hikmat Qassar, Musiker
"Aber wir vermissen Bashar, unser zweiter Gitarrist. Er ist noch in der Türkei. Wir versuchen, ihn nach Deutschland zu holen, auf dem legalen Weg, mit einem Visum. Im Winter ist es zu gefährlich übers Mittelmeer. Das ist gerade das Wichtigste für uns."

Ihr zweites Album haben sie schon geschrieben, aber keine Möglichkeit es aufzunehmen. Sie haben Angebote für Konzerte, planen eine Tour, dürfen aber nicht reisen. In Berlin müssen sie auf ihre Papiere warten.

Anas Maghrebi, Musiker
"Wir brauchen Instrumente, wir brauchen die Erlaubnis zu arbeiten, eine Tour zu machen, Konzerte zu geben - das ist unser Beruf. Wir sind nicht nur Flüchtlinge, wir sind Musiker, unser Leben ist die Musik, das ist das, was uns ausmacht."

Wir sind keine Flüchtlinge, sondern Musiker, die vor einem Krieg fliehen mussten, genauso wie unser Co-Autor Hamdi Kassar als Journalist. In den Liedern von Khebez Dawle heißt es: "Lasst uns aufstehen, lasst uns Musik machen, lasst uns ein neues Land aufbauen."


Autoren: Hamdi Kassar und Vanessa Loewel